Steffen Wippel

Von "Tanger" bis "Barcelona". Zwischen Abgrenzung und Außenöffnung im marokkanisch-europäischen Verhältnis.

In: Henner Fürtig (Hg.), Islamische Welt und Globalisierung: Aneignung, Abgrenzung, Gegenentwürfe, Ergon-Verlag, Würzburg 2001, S. 213 - 247.


Der Beitrag gibt einen Überblick über die europapolitischen Positionen der Istiqlāl- und der beiden Linksparteien Marokkos und den Wandel ihrer Einstellungen seit Ende der 50er Jahre bis zur zweiten Hälfte der 90er Jahre. Er präsentiert damit zugleich abschließende Ergebnisse des zweijährigen Forschungsvorhabens, das der Autor am ZMO zu den Wahrnehmungen "Europas" durch arabische Muslime an Hand einer Fallstudie durchführte, die Reaktionen von Vertretern marokkanischer Parteien auf die Zusammenarbeit ihres Landes mit der EG/EU und auf die Integration Europas untersuchte.

Grundsätzlich konnte festgestellt werden, daß eine vielschichtige und differenzierte Wahrnehmung Europas und der EU vorherrscht. Zur Kooperation mit Europa und gegenüber einer weiteren Annäherung herrscht eine positive Grundeinstellung vor. Zunehmend weniger wird - vor allem in der inzwischen den Premierminister stellenden "Union Socialiste des Forces Populaires" (USFP) - Europa als grundsätzlicher Gegner, vielmehr als Partner in vielen, auch außerökonomischen Bereichen wahrgenommen. Diesen darf man dann auch kenntnisreich und heftig kritisieren, wenn man das Gefühl hat, daß er eigene Belange beeinträchtigt. Die wirtschaftliche Kooperation steht im Mittelpunkt der Beurteilungen; daneben werden vor allem politische und soziale Aspekte der Orientierung nach Europa benannt. Diese unterschiedlichen Dimensionen der Zusammenarbeit werden als eng miteinander verbunden empfunden.

Insgesamt ergibt sich ein facettenreiches Bild Europas, auch wenn kulturelle Konsequenzen, die bspw. von der wirtschaftlichen Öffnung auf ökonomische und soziale Verhaltensweisen ausgehen werden, sehr viel weniger wahrgenommen werden. Trotz aller auf Marokko zukommenden Probleme werden kaum grundsätzliche Alternativen formuliert: Die Idee der Maghrebeinheit spielt zwar weiterhin eine große Rolle - aber nicht mehr als Alternative, sondern als Ergänzung zur Orientierung nach Europa; zunehmende Bedeutung erhielt das Konzept eines übergreifenden, gemeinsamen Mittelmeerraumes.

Die grundsätzliche positive Haltung gegenüber Europa läßt sich mehr oder weniger über alle untersuchten Parteien hinweg feststellen. Im Detail bestehen Unterschiede in den Positionen gegenüber einzelnen Aspekten der Beziehung und in der Schärfe der geäußerten Kritik. In einer langfristigen Betrachtung läßt sich ein erhebliche Wandel der Haltungen gegenüber der Kooperation mit Europa feststellen.


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