Steffen Wippel

Habib El Malki (Íabīb al-Mālikī), Marokkanischer Landwirtschafts- und Fischereiminister.

In: Orient 40(1999)2, S. 175 - 188.

Fathallah Oualalou (FatÎallāh Wala‘lū), Marokkanischer Wirtschafts- und Finanzminister.

In: Orient 40(1999)3, S. 375 - 386.


Marokko erlebte im Laufe der 90er Jahre einen Prozeß der politischen Öffnung. Nach den Wahlen vom Herbst 1997 stellte die "Union Socialiste des Forces Populaires" (USFP), eine der einflußreichsten und dem westlichen Modell politischer Strömungsparteien am nächsten kommenden marokkanischen Parteien, erstmals in der marokkanischen Geschichte in einer Links-Mitte-Koalitionsregierung den Premierminister.

Zahlreiche Wissenschaftler des Landes stehen der USFP nahe oder bekleiden hochrangige politische Funktionen in ihr. Die zwei wichtigen Wirtschaftsressorts gingen an die wohl renommiertesten, auch im Ausland bekannten marokkanischen Ökonomen, Habib El Malki und Fathallah Oualalou. Beide Persönlichkeiten repräsentieren den allmählichen Wandel politischer Einstellungen in Wirtschaftsfragen in den Reihen der marokkanischen Sozialisten.

Die beiden Beiträge stellen die Lebensdaten und wirtschaftspolitischen Positionen El Malkis und Oualalous vor. Drei Themenbereiche lassen sich im umfangreichen wissenschaftlichen Werk der beiden Politiker und Ökonomen, das auch deren politische Einstellungen reflektiert, abgrenzen: Während sich El Malki intensiv mit Fragen der marokkanischen Wirtschaftspolitik auseinandersetzt, befaßt sich Oualalou vor allem mit dem Verhältnis zu Europa sowie der Zugehörigkeit zum Maghreb und zur arabischen Welt. Im Zentrum stand dabei lange Zeit die Auseinandersetzung um Entwicklungsstrategien, Außenabhängigkeit und autonome Entwicklung.

Dabei forderten sie in den 70er Jahren im Rahmen damals vorherrschender Ansätze als Strategien zur Entwicklung des Landes Importsubstitution, die Mobilisierung interner Potentiale und vor allem inländischer Finanzmittel sowie den Ausbau der Süd-Süd-Kooperation. Seit etwa Mitte der 80er lassen sich sowohl das Aufgreifen neuer aktueller Themen wie auch eine zunehmende Modifizierung von Positionen zu den behandelten Fragen beobachten.

Weiterhin nehmen die Kooperation mit Europa und die Integration im Maghreb eine zentrale Rolle ein; dabei wird jetzt auch zunehmend das Mittelmeer als verbindender Raum thematisiert. Die internationalen Wirtschafts- und Finanzinstitutionen und die Durchsetzung wirtschafts- und machtpolitischer Interessen seitens der EU werden heftig kritisiert und es wird vor den Folgen von wirtschaftlicher Liberalisierung, Öffnung und Globalisierung gewarnt. Doch gleichzeitig erkennen sie zunehmend die Chancen dieser Prozesse und betonen die Anpassungsnotwendigkeiten und die Möglichkeiten interregionaler Zusammenarbeit. Die Rolle der privaten Unternehmerschaft für Wachstum und Entwicklung wird, ohne sie aus ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung zu entlassen, anerkannt. Überlegungen zu einer Minderung des staatlichen Gewichts in der Wirtschaft stehen nicht zuletzt im Zusammenhang mit marokkanischen Diskussionen über Demokratisierung und Zivilgesellschaft. Vorsichtig distanzieren sie sich - Oualalou eher mehr, El Malki eher weniger - von keynesianischen Vorstellungen, ohne sich gleich der neoliberalen Orthodoxie zu unterwerfen. Darüber hinaus erringen kulturelle Fragen der inneren Entwicklung und der Verortung in größeren Zusammenhängen eine wachsende Aufmerksamkeit.


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