Steffen Wippel

Fraktale Integration: Überlegungen zu aktuellen Formen und Abläufen wirtschaftlicher Regionalisierung.

In: Steffen Wippel/Inse Cornelssen (Hg.), Entwicklungspolitische Perspektiven im Kontext wachsender Komplexität, Festschrift für Prof. Dr. Dieter Weiss, Forschungsberichte des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Band 128, Weltforum Verlag, München, Bonn, London 2001, S. 65-98.


Der Beitrag stellt aktuelle Formen und Verläufe von Regionalisierung vor. Deren Vielfalt entspricht den unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen, Motiven und Zielen der Beteiligten und stellt eine Anpassung an zunehmend komplexere Umwelten dar. Das in der Wirtschaftstheorie üblicherweise verwendete Stufenmodell erweist sich in steigendem Maße als ungeeignet, die Komplexität des Regionalisierungsprozesses darzustellen. Es entspricht weder den realen, nichtlinearen Abläufen, die geprägt sind von Fort- und Rückschritten, Brüchen und Blockaden, noch gibt es die inhaltlichen Variationen im Zeitablauf, die fluktuierenden, uneindeutigen Grenzen "offener" und "differenzierter" Integration oder die engen Verflechtungen zwischen den Kooperationsbereichen wieder. Die Erschließung neuer geographischer Räume und die Entstehung neuer grenzüberschreitender Mikroregionen verstärken diese Muster. Regionalisierung bedeutet heute immer mehr die Bildung polyzentrisch und heterarchisch angelegter und zugleich offener, prozeßorientierter Systeme; sie befinden sich in dynamischen Gleichgewichten von Öffnung und Abgrenzung, Zentralisation und Dezentralisation, Differenzierung und Integration.

Die Bezeichnung "fraktale Integration" verweist auf die vielfältigen und komplexen Formen regionaler Kooperation und Verflechtungen, die Grundmuster differenzierter, offener und emergierender Regionalisierung immer wieder variieren. Das Muster fraktaler Integration trat vornehmlich im Laufe der zweiten Regionalisierungswelle seit den 1980er Jahren in Erscheinung. Es bestand aber auch schon in früheren Regionalisierungsansätzen, auch wenn seine Ausprägungen erst in den letzten Jahren verstärkt zum Gegenstand wissenschaftlicher Wahrnehmung wurden. Wie aktuelle Diskussionen nicht nur in Europa, sondern auch in Asien und Afrika zeigen, wird fraktale Integration weiter an Bedeutung gewinnen. Ebenso ist es anzunehmen, daß die Komplexität der Regionalisierung eher noch zunehmen wird. Regionale Integration bietet eine zusätzliche Ebene zwischen Globalisierung, die im Sinne weltweiter Vereinheitlichung und Auflösung von Grenzen oft als bedrohlich empfunden wird, und Nationalstaat, der zumindest partiell neben transstaatlichen Verflechtungen an Bedeutung verliert. Zugleich trägt die Bildung von Subsystemen zu Vielfalt und Komplexität auf globaler Ebene bei und kann diese stabilisieren helfen.


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